Geschichte:
Die genaue Zeit der Gründung Kiews liegt im Dunkeln. Sie muss irgendwann zwischen 430 und dem Beginn des 6. Jahrhunderts liegen. Die wichtigste schriftliche Quelle zur frühmittelalterlichen russischen Geschichte ist die so genannte Nestorchronik, eine der ältesten noch erhaltenen russischen Chroniken überhaupt. Ihr Inhalt geht auf eine Kompilation zurück, welche zwischen 1113 und 1118 von einem Abt namens Silvester vorgenommen worden war. Diese Chronik berichtet auch von der Gründung Kiews. Die drei Brüder Choriw, Kyi und Schtschek sowie deren Schwester Lybid haben auf drei Anhöhen drei Dörfer bauen lassen. Weiterhin erbauten sie eine Festung, welcher sie den Namen ihres ältesten Bruders gaben: Kyi. Daraus leitete sich der spätere Name Kiew ab, der so viel wie Stadt von Kyi bedeutet.
Die Stadt hatte eine strategische Lage am Handelsweg von den Warägern zu den Griechen. Mitte des 9. Jahrhunderts herrschten in ihr die warägischen Fürsten Askold und Dir, bevor sie von Ruriks Feldherrn Oleg von Nowgorod 882 getötet wurden. Dieser vereinigte den gesamten Herrschaftsbereich der Waräger (Rus) entlang des Handelsweges und machte Kiew zur fürstlichen Residenz der Kiewer Rus. 988 initiierte der Großfürst Wladimir I. den Übertritt der bis dahin heidnischen Kiewer Rus zum orthodoxen Christentum byzantinischer Prägung. Unter Wladimirs Sohn Jaroslaw dem Weisen wurde Kiew stark ausgebaut. Die aktive Heiratspolitik und der Ausbau der Stadt machte sie in ganz Europa bekannt. Damit erreichte Kiew im 11. und 12. Jahrhundert den Höhepunkt seiner Entwicklung und wurde mit etwa 50.000 Einwohnern eine der größten Städte Europas.
Nach dem Tod Jaroslaws begannen Erbfolgekämpfe, die sich auf die Stadt negativ auswirkten und zu wiederholten Eroberungen und Zerstörungen führten. So wurde Kiew 1169 durch Fürst Andrei Bogoljubski von Wladimir-Susdal erobert. Statt sich dort niederzulassen, nahm er den bis dahin an Kiew gebundenen Großfürstentitel mit nach Norden in seine Residenz bei Wladimir. Damit setzte sich der Zerfall des Kiewer Reichs fort. 1240 wurde Kiew im Zuge der mongolischen Invasion der Rus nach fast zehnwöchiger Belagerung von den Truppen Batu Khans, einem Enkel Dschingis-Khans, erobert. Fast alle Einwohner wurden getötet und nahezu alle Gebäude niedergebrannt. Es wurde berichtet, dass von der großen und dichtbesiedelten Stadt nur noch 200 Häuser gestanden haben sollen. Nach einer erneuten Vernichtung der Stadt verließ der griechische Metropolit 1299 Kiew und zog nach Wladimir. 1320/1365 kam Kiew infolge der Schlacht am Irpen und der Schlacht am Blauen Wasser an Litauen und 1569 wurde es zu einer polnisch-litauischen Provinzhauptstadt (Woiwodschaft Kiew).
Nach dem 1648 begonnenen Chmelnyzkyj-Aufstand und dem ukrainisch-russischen Bündnisschluss von Perejaslaw 1654 kam die Stadt an Russland. In der Folgezeit erlebte die Orthodoxie eine Wiedergeburt. Das Kiewer Höhlenkloster, die Sophienkathedrale und das St. Michaelskloster erhielten ihr heutiges Aussehen im Stil des ukrainischen Barocks. Besonders Kaiser Nikolaus I., der Kiew liebevoll Jerusalem der russischen Erde nannte, tat viel dafür, dass Kiew zu einem wichtigen Handels-, Verkehrs- und Industriezentrum des Russischen Reiches ausgebaut wurde. Im Jahr 1888 feierte die Stadt mit großem Pomp den 900. Jahrestag der Christianisierung der Rus. Als erste Stadt des Russischen Reiches erhielt Kiew 1892 eine elektrische Straßenbahn. Um 1900 hatte die Stadt etwa 250.000 Einwohner, und die Einwohnerzahl stieg in den nächsten Jahren weiter massiv an. Nach der Russischen Revolution und während der deutschen Besatzung am Ende des Ersten Weltkriegs entstanden hier die kurzlebigen ukrainischen Nationalstaaten Ukrainische Volksrepublik und Ukrainischer Staat.
Ab 1920 war Kiew sowjetisch. Am 19. Januar 1934 wurde die Stadt an Stelle von Charkow zur Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik (SSR) und am 24. Juni 1934 zog die Regierung hierhin um. Im Verlauf der 1930er Jahre wurden in Kiew viele historische Bauten von den sowjetischen Behörden vernichtet. In Bykiwnja, einem Waldgebiet im Osten der Stadt, wurden während des Stalinismus etwa 130.000 Menschen ermordet. Vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zählte die Stadt 350.000 Juden, von denen die meisten rechtzeitig vor dem Einmarsch der Wehrmacht fliehen konnten, so dass beim Einmarsch im September 1941 nur noch 30 % der Juden in der Stadt (ca. 100.000 Juden) lebten. Während der deutschen Okkupation im Deutsch-Sowjetischen Krieg, vom 19. September 1941 bis zum 6. November 1943, wurden von den Besatzern 120.000 bis 160.000 sowjetische Kriegsgefangene und Zivilisten (vor allem Juden) in Kiew ermordet. Mehr als 33.000 Juden fielen allein dem Massaker in Babi Jar bei Kiew am 29. und 30. September 1941 zum Opfer. 1942 wurde am Nordrand der Stadt das KZ Syrez errichtet.
Großen Schaden nahm die Stadt kurz nach der Schlacht um Kiew durch einen verheerenden Großbrand, der am 24. September 1941 durch ferngezündete sowjetische Sprengsätze ausgelöst wurde und erst am 29. September unter Einsatz der deutschen und einheimischen Feuerwehr durch das Sprengen von Brandschneisen gelöscht werden konnte. In einer zweiten Schlacht um Kiew wurde die Stadt von der Roten Armee am 6. November 1943 nach 778 Tagen deutscher Besetzung befreit. In der Stadt bestand (bis 1954) das Kriegsgefangenenlager 62 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs, dazu das Kriegsgefangenenhospital 3201.
In der Nachkriegszeit wurde die Stadt rasch wiederaufgebaut und setzte ihr schnelles Bevölkerungswachstum fort. Nach dem Moskauer Vorbild entstand die Kiewer Metro. Zur Erinnerung an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg wurde auf der hohen rechten Dnepr-Seite die riesige Mutter-Heimat-Statue erbaut. 1982 fanden die Feierlichkeiten des 1500-jährigen Bestehens von Kiew statt. 1986 wurde die Stadt vom Tschernobyl-GAU schwer getroffen. Seit 1991 ist Kiew Hauptstadt der unabhängigen Ukraine. Ab November 2004 wurde die Innenstadt zum Schauplatz der Massenproteste gegen die Fälschungen bei der Präsidentschaftswahl 2004, die schließlich zur Orangen Revolution führten. Von Dezember 2013 bis Ende Februar 2014 war die Stadt Schauplatz des „Euromaidan“, einer Protestbewegung gegen die ukrainische Regierung, was zu deren Sturz führte.