Speerzone Tschernobyl (Chernobyl)

Geschichte:

Bei der Sperrzone von Tschernobyl handelt es sich um ein Sperrgebiet, welches im Jahre 1986 mit einem Radius von 30 km um den havarierten Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl auf dem Gebiet der heutigen Ukraine errichtet wurde. Auf weißrussischer Seite schließt sich seit 1988 das Polessische Staatliche Radioökologische Schutzgebiet an. Die Sperrzone wurde errichtet, um die Bewohner in den angrenzenden Gebieten besonders vor dem radioaktiven Fallout zu schützen. Damit einher ging die Evakuierung der Städte Prypjat und Tschernobyl sowie Kopatschi und weiterer Dörfer, die sich innerhalb dieses Gebietes befanden. Der Zugang zu diesem Sperrgebiet wird von der ukrainischen Miliz kontrolliert und ist nur mit Genehmigung gestattet.

Nachdem die ersten der 44.000 Einwohner Prypjats 37 Stunden nach dem Unfall aus der Stadt geschafft worden waren, entschied man am 2. Mai 1986, das Gebiet mit einem Radius von circa 30 km um den Reaktor zu evakuieren, basierend auf Dosisleistungsmessungen. Die Evakuierung wurde am 6. Mai abgeschlossen. Zunächst wurden etwa 116.000 Menschen aus einem Gebiet von etwa 3500 km² gebracht. In den Folgejahren stieg diese Zahl auf circa 350.000 Menschen an. Seit dem Ende der Sowjetunion stehen die vom radioaktiven Fallout betroffenen Gebiete Homelskaja Woblasz in Weißrussland sowie die Oblast Brjansk in Russland, die zum damaligen Zeitpunkt mit zum errichteten Sperrgebiet zählten, unter eigener Verwaltung.

Von 190,3 t radioaktivem Material, welches sich im Reaktorkern befand, wurden in den ersten zehn Tagen vom 26. April bis 5. Mai 1986 6,7 t in die Umwelt freigesetzt. Unter anderem wurden die folgenden radiotoxisch besonders relevanten Nuklide freigesetzt:

- Strontium-90 (Halbwertszeit: 28,8 Jahre; ß--Strahler; ersetzt Calcium im Körper, beispielsweise in den Knochen)

- Iod-131 (Halbwertszeit: 8 Tage; ß--Strahler; reichert sich stark in der Schilddrüse an)

- Caesium-137 (Halbwertszeit: 30,1 Jahre; ß--Strahler; zerfällt in 95 % der Fälle zu Barium-137m, welches nach 2,5 min zur Hälfte zu Barium-137 zerfallen ist und damit maßgeblich für die ?-Strahlung verantwortlich ist; Caesium reichert sich besonders in Böden und Pilzen an)

- Plutonium-241 (Halbwertszeit: 14,4 Jahre; ß--Strahler; regeneriert Americium-241; Plutonium bindet an Proteine und lagert sich in Nieren und Leber ab)

- Americium-241 (Halbwertszeit: 432 Jahre; a-Strahler; reichert sich in Knochen (biologische Halbwertszeit: 50 Jahre) und Leber (biologische Halbwertszeit: 20 Jahre) sowie den Keimdrüsen (permanent) an

In Folge des Reaktorunfalls kam es zu drei voneinander verschiedenen Phasen, in denen unterschiedliche Strahlenexpositionen aufgetreten sind:

Phase I ist durch die ersten 20 Tage nach dem Unfall gekennzeichnet, in denen es durch kurzlebige Radionuklide (Molybdän-99, Tellur-132/Iod-132, Xenon-133, Iod-131, Barium-140/Lanthan-140) zu akuten Strahlenschäden gekommen ist. Die meisten dieser Nuklide wurden auf Pflanzen und dem Boden abgelagert und führten dort zu Dosisleistungen von bis zu 20 Gy/d in den ersten Tagen nach dem Unfall. Freigesetzte Radioiodnuklide, v. a. Iod, führten durch Bestrahlung vor der Evakuierung zu Schilddrüsenkrebs bei Kindern, der in der Sperrzone sehr hohe Inzidenzen aufwies, sowie zu Schilddrüsen-Schäden auch bei vielen Wirbeltieren.

Phase II bezeichnet die Zeit von Sommer bis Herbst 1986, in der viele der kurzlebigen Radionuklide zerfielen und langlebige Radionuklide auf biologischem, chemischem oder physikalischem Weg in der Umwelt abgelagert, umgewandelt und transportiert wurden. Die Gesamtdosisleistung der bei dem Unfall freigesetzten radioaktiven Stoffe sank in dieser Zeit auf ein Zehntel des Ausgangswertes. Ca. 80 % der Strahlungsdosis, die sich in Pflanzen und Tieren angereichert hat, wurden innerhalb der ersten drei Monate nach dem Unfall aufgenommen.

Phase III ist die noch anhaltende Phase, in der die Strahlenexposition noch 1 % des Anfangswertes entspricht und die maßgeblich durch die Caesium-137-Kontamination hervorgerufen wird. Die Ausbreitung von Pflanzen sowie das Einwandern neuer Tiere in das Sperrgebiet sorgt hierbei für eine stark unterschiedliche Bioakkumulation der verbliebenen Radionuklide.

Im Sperrgebiet von Tschernobyl leben derzeit 197 Samosely (Umsiedler) (Stand: 2012). Bei den Rückkehrern handelt es sich zumeist um ältere Menschen, die nach der Evakuierung illegal in ihre ehemalige Heimat zurückgekehrt sind. Heute werden sie von staatlicher Seite geduldet. Der Einfluss der radioaktiven Kontamination auf Flora und Fauna ist unter Wissenschaftlern umstritten. Untersuchungen insbesondere an Vögeln zeigen Albinismus und kleinere Gehirngrößen, wohingegen der Bestand an Säugetieren, die direkt auf dem Boden des Sperrgebietes leben, zunimmt. Da sich der Unfall im späten April ereignete, machte sich die schädigende Wirkung des radioaktiven Fallouts in einer Periode verstärkten Wachstums bemerkbar. Innerhalb des Sperrgebietes wurden Aktivitäten von 0.7-3.9 GBq/m² gemessen. Dies führte unter anderem zu kurzfristiger Sterilität, Wachstums- und Entwicklungsstörungen. Blattnekrosen, verwitterte Blattspitzen, Störung der Photosynthese sowie Gendefekte wurden beobachtet. 40 % des Winterweizens waren betroffen. Abnormalitäten waren noch einige Jahre später erkennbar. Die starken Dosisraten von über 20 Gy/d machten sich besonders an den radiosensitiven Koniferen bemerkbar. Bei einem Nadelwald, der in 1,5 km Entfernung westlich des Reaktors stand, machten sich die Strahlenschäden in Gelbfärbung der Nadeln bemerkbar, die daraufhin abfielen. Die übrig gebliebenen nadellosen Baumstämme gaben dem Wald den Namen "Roter Wald". Mittlerweile wurde dieser Wald eingeebnet.

Der Zeitpunkt des Unfalls fiel auch bei den Tieren mit einer Zeit erhöhter Aktivität - Reproduktion und Mauser - zusammen. Innerhalb der 3-7-km-Zone um den Reaktor wurde der Bestand an Wirbellosen um den Faktor 30 reduziert. Energiedosen von 3 Gy resultierten in früher Sterblichkeit der Nachkommen sowie Fortpflanzungsproblemen. Innerhalb eines Jahres migrierten jedoch andere Wirbellose aus weniger kontaminierten Gebieten in das Sperrgebiet ein, so dass nach zweieinhalb Jahren kein Unterschied in den Populationen zu Kontrollgruppen mehr feststellbar war, wenngleich die Artenvielfalt deutlich reduziert blieb. Die vollständige Erholung der Artenvielfalt an Wirbellosen konnte erst 1995 wieder festgestellt werden. Derzeitige Schätzungen der Behörden gehen von einem Bestand von circa 7000 Wildschweinen, 150 Wölfen, 3000 Rehen, 1500 Bibern, 1200 Füchsen, 15 Luchsen, mehreren tausend Elchen und 280 Vogelarten aus, von denen viele selten beziehungsweise gefährdet sind. (Stand: 2006) Im weißrussischen Teil der Sperrzone leben bereits wieder drei Herden von Wisenten (93 Tiere, Stand 2012), die sich langsam vermehren. 1998 und 1999 wurden insgesamt 31 Przewalski-Pferde in der Sperrzone ausgewildert, deren Bestand 2016 bei über 100 lag. Für die nahe Zukunft ist die Auswilderung von Wisenten geplant.

Lage:

Informationen:

Land: Ukraine

Besucht am: 25.05.2019

Fläche: 2.600 km²

Bilder:

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Kernkraftwerk Tschernobyl

Das stillgelegte Kernkraftwerk Tschernobyl befindet sich im Norden der Ukraine nahe der ukrainisch-weißrussischen Grenze. Es ist etwa vier Kilometer von der Stadt Prypjat und 18 Kilometer von Tschornobyl entfernt. Das Kraftwerk wurde ursprünglich mit einer Kapazität von 2000 MW geplant. Zur Auswahl standen drei verschiedene Reaktortypen; zwei RK-1000, vier WWER-440 oder zwei RBMK-1000. Nach genauer Planung des Projektes fiel aufgrund der Wirtschaftlichkeit die Wahl auf zwei Reaktoren vom Typ RBMK (Beschluss der Minister der Sowjetunion vom 19. Juni 1969/14. Dezember 1970). Damit wurde Tschernobyl die dritte Anlage mit Reaktoren vom Typ RBMK-1000. Während der Bauzeit wurden weitere Blöcke geplant und der Ausbau auf bis zu sechs Blöcke genehmigt. Das Kraftwerk in der heutigen Form wurde etwa von 1970 bis 1983 erbaut. Eigens für das Kraftwerk wurde Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre ein Kühlsee angelegt. Mit dem Bau der Blöcke 5 und 6 wurde der Kühlsee erweitert. Auch nach der Katastrophe in Block 4 wurden nach einer Unterbrechung die anderen Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Tschernobyl bis zum Dezember 2000 zur Stromerzeugung genutzt. Das Kraftwerk galt in der Sowjetunion in den 1980er Jahren als Musteranlage.

Block 1 wurde 1977 fertiggestellt. Am 1. September 1982 wurde ein zentrales Brennelement durch Überhitzung infolge eines Bedienungsfehlers zerstört. Erhebliche Mengen an Radioaktivität traten aus, die radioaktiven Gase gelangten bis nach Prypjat. Bei der Reparatur wurden diverse Arbeiter einer deutlich überhöhten Strahlendosis ausgesetzt, der Unfall wird mit Kategorie INES 5 gelistet. Block 1 ging schließlich im November 1996 vom Netz, nachdem die Betriebsdauer mit Beschluss vom 20. Oktober 1993 ein letztes Mal um drei Jahre verlängert worden war.

Block 2 wurde 1978 fertiggestellt. Während längerer Zeit bestand ein Leck im Abklingbecken für abgebrannte Brennelemente. Der Austritt geringer Mengen an Radioaktivität wird vermutet. Am 11. Oktober 1991 kam es nach einer Wasserstoffexplosion zu einem Großbrand in der Turbinenhalle, das Dach stürzte teilweise ein und einer der beiden Generatoren wurde schwer beschädigt. Da die manuelle Reaktorabschaltung gelang, wurde der Reaktor selbst nur minimal beschädigt und es trat kaum Radioaktivität aus. Nach Kostenabschätzungen für eine mögliche Reparatur wurde vorerst auf eine Reparatur verzichtet und abgewartet. 1991, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, beschloss die ukrainische Regierung, Block 2 vorerst auf Warteposition zu halten. Am 20. Oktober 1993 wurde der Beschluss revidiert, die Betriebserlaubnis für Block 2 entzogen und der Reaktor endgültig stillgelegt.

Block 3 wurde 1981 fertiggestellt. Er bildet mit dem Block 4 einen Doppelblock. Mit Beschluss vom 20. Oktober 1993 wurde die Betriebsdauer um sieben Jahre verlängert. Der Block wurde im Dezember 2000 auch auf Druck und nach Ausgleichszahlungen der Europäischen Union vom Netz genommen.

Block 4 wurde 1983 fertiggestellt und bildet mit Block 3 und dem dazwischenliegenden Hilfsanlagengebäude einen Doppelblock. Am 26. April 1986 kam es zu einer Kernschmelze und Explosion des Reaktorkerns, wodurch der Block vollständig zerstört wurde. Große Teile des radioaktiven Inventars gelangten in die Umwelt. Das Graphit, mit dem der Reaktor moderiert wird, geriet in Brand und konnte erst Tage später gelöscht werden. Der Landstrich um den Reaktor musste geräumt werden und ist bis heute unbewohnbar. Die mit dem Rauch in große Höhe gelangte Radioaktivität wurde nach Westen getrieben und bewirkte einen radioaktiven Niederschlag (Fallout) über Nord- und Mitteleuropa.

Nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 baute man eilig über mehrere Monate eine provisorische Konstruktion um das Gebäude des havarierten Reaktorblocks, die als "Sarkophag" bekannt wurde: Sie sollte verhindern, dass weiterhin radioaktive Partikel unkontrolliert in die Atmosphäre gelangen. Aufgrund der hohen Radioaktivität und dem extremen Zeitdruck unter dem die Arbeit ausgeführt werden musste, war es nicht möglich, eine auf lange Frist haltbare Konstruktion zu errichten: Einerseits musste der zerstörte Reaktor möglichst schnell eingeschlossen werden, andererseits kam es darauf an, den Aufenthalt der Arbeiter im radioaktiv verseuchten Bereich zu begrenzen. Daher errichtete man eine Konstruktion, die so weit wie möglich aus vorgefertigten Stahlteilen bestand die in größerer Entfernung vorbereitet und dann über dem Reaktor montiert wurden; anschließend goss man die vorbereiteten Stahlwände teilweise mit Beton aus. Notgedrungen mussten in die Konstruktion des Sarkophags jedoch auch stehengebliebene Teile des Reaktorgebäudes einbezogen werden, deren Stabilität nicht überprüft werden konnte. Ebenso wurden Betonfundamente für den Sarkophag auf den Trümmerschutt des zerstörten Reaktors gegossen ohne dass man die Tragfähigkeit dieses Untergrunds überprüfen konnte. Erschwerend kam noch hinzu, dass der unmittelbar benachbarte, unbeschädigte Kraftwerksblock weiterbetrieben werden sollte, daher mussten die vorher verbundenen Räume und Anlagenteile beim Bau des Sarkophags getrennt werden.

Im November 1986 stellte man den Sarkophag fertig, der aus 7000 Tonnen Stahl und 410.000 m³ Beton bestand. Im Lauf der Zeit wurde der Sarkophag undicht, und Stahlträger rosteten, die beim Nachgeben zum Einsturz der gesamten Konstruktion führen könnten. Darüber hinaus existieren Löcher im Dach, durch die Wasser in das darunterliegende Gebäude eindringen kann. Dieses Wasser versickert kontaminiert unter dem Reaktorblock im Boden. Im Dezember 1988 gaben sowjetische Wissenschaftler bekannt, dass der Sarkophag eine vorgesehene Lebenszeit von lediglich 20 bis 30 Jahren habe.[2] Daher begann man 1992 neue Lösungen zu entwickeln, um eine weitere Katastrophe zu verhindern. Die damaligen Untersuchungen führten zum Schluss, dass man einen neuen Sarkophag über dem alten errichten müsse. Dieses Vorhaben wurde in einem ukrainischen Gesetz geregelt und im Juni 1997 bei einem G7-Treffen als Teil des Shelter Implementation Plan (SIP) verabschiedet.

Der Bau der neuen Schutzhülle begann Ende 2010, da vorher noch einige Vorarbeiten notwendig waren. So musste vor allem der alte Sarkophag mit einer Lüftungsanlage ausgestattet werden. Außerdem wurde 2008 eine Stahlkonstruktion an der Westseite des alten Sarkophags errichtet, die 80 Prozent des Dachgewichts trägt. Im Oktober 2014 wurden alle Hubarbeiten abgeschlossen. Die Schutzhülle soll nach Fertigstellung eine Spannweite von 257 m, eine Länge von 162 m und eine Höhe von 108 m haben. Sie soll Temperaturen von -30 °C bis +50 °C, einem Erdbeben der Stärke 6 sowie einem Tornado der Stufe 3 standhalten können. 81.000 m³ Beton dienen als Fundament, während die Konstruktion 24.860 Tonnen wiegen soll. Die Gesamtkosten des Projekts betragen 935 Millionen Euro. Der neue Sarkophag wurde von 2010 bis 2016 ca. 200 Meter neben dem geborstenen Reaktor aufgebaut und anschließend auf Kunststoffgleitschienen über den alten Sarkophag gefahren. Dadurch soll es möglich sein, den alten Sarkophag zu entfernen, ohne dass weitere radioaktive Stoffe freigesetzt werden. Das ist mit zwei Kränen vorgesehen, die unter hoher Strahlenbelastung speziell vor Ort für diesen Zweck hergestellt wurden. Unter anderem können sie auch radioaktiv kontaminierte Stoffe zerkleinern.

Die Blöcke 5 und 6 waren ab 1981 etwas abseits der Blöcke 1 bis 4 im Bau. Block 5 hätte im Herbst 1986 den Probebetrieb aufnehmen sollen, Block 6 war 1986 zur Hälfte fertiggestellt. Trotz des Super-GAUs in Block 4 wurde zunächst an beiden Blöcken weitergebaut. Durch die hohe radioaktive Belastung des Gebiets mussten die Bauarbeiten am 1. Januar 1988 eingestellt werden. Beide Blöcke wurden mit einem Schutzanstrich vor Witterung und Alterung geschützt. Die UdSSR plante, die beiden Blöcke nach Absinken der Radioaktivität fertigzustellen. Die neue politische Lage in den 1990er Jahren machte die Durchführung dieses Plans unmöglich, da die Ukraine als Nachfolgestaat auf diesem Gebiet weder den politischen Willen noch die finanziellen Mittel zur Fertigstellung hatte.

alternative Erklärung

Prypiat

Fläche 6km²

Einwohner: 0 (im April 1986 noch etwa 49.360)

Prypjat wurde am 4. Februar 1970 gegründet. Die Stadt wurde als Wohnort für die Arbeiter des ersten Atomkraftwerks der Ukraine geplant - des Atomreaktors Tschernobyl, benannt nach der nahe gelegenen Kleinstadt Tschornobyl. Der Großteil der Bevölkerung bestand aus Arbeitern und deren Familien. Dadurch wuchs die Stadt schnell. Zum Zeitpunkt der Katastrophe war Prypjat eine relativ reiche und insbesondere junge Stadt - das Durchschnittsalter lag zum Zeitpunkt der Katastrophe bei ca. 26 Jahren. Die Stadt besteht aus fünf Mikrodistrikten, die sich kreisförmig um das Stadtzentrum gruppieren. Die Fläche beträgt schätzungsweise 600 ha, auf denen sich 149 mehrgeschossige Gebäude befinden. Die ca. 13.500 Wohnungen umfassen eine Fläche von ungefähr 520.000 m². Ursprünglich sollte Prypjat parallel zum Ausbau des Atomkraftwerks - Block 5 und 6 waren bereits im Bau - auf bis zu 80.000 Einwohner anwachsen. Die Erweiterungsfläche nordöstlich der Stadt ist noch heute als unbewachsenes Feld sichtbar, auf dem nach dem Unfall Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden, um Winderosion des kontaminierten Bodens weitestgehend zu verhindern.

Aufgrund des schleppenden Informations- und Notfallmanagements wurde Prypjat erst 36 Stunden nach dem Reaktorunfall evakuiert. Dadurch wurden viele Anwohner einer hohen Strahlung ausgesetzt und litten an Spätfolgen. Gegen Mittag des 27. April wurde eine kurze Radionachricht gesendet, in der die Bevölkerung aufgefordert wurde, sich auf eine dreitägige Abwesenheit einzurichten. Die Evakuierung erfolgte ab 14 Uhr und wurde mit ca. 1200 Bussen innerhalb von zweieinhalb Stunden durchgeführt. Durch den Unfall wurde Prypjat mehrmals und durch unterschiedliche radioaktive Stoffe kontaminiert. Dank günstiger Winde fand die stärkste Kontaminierung der Stadt durch radioaktive Niederschläge jedoch erst nach der Evakuierung - zwischen dem 27. und 29. April - statt.

Da die Bewohner in dem Glauben gelassen wurden, bald wieder nach Hause zu können, stehen viele Gebäude noch im Originalzustand. Allerdings kam es im Laufe der Zeit zu Vandalismus und Plünderungen. So wurden Wohnungen nach der Evakuierung ausgeraubt und beschädigt. Das US-amerikanische Forbes Magazine bezeichnete Prypjat/Tschernobyl bereits als Reiseziel der Kategorie "world´s unique places to visit" (weltweit einzigartige Orte für einen Besuch). Die kontaminierte Zone wird bis heute von der Miliz bewacht, nur wenige Menschen wohnen noch im Gebiet rund um den Reaktor. Die meisten von ihnen sind Armeeangehörige, Wissenschaftler oder illegale Bewohner, die jedoch zumeist geduldet werden. Im Rahmen geführter Touren durch das Kernkraftwerk kann heute auch Prypjat besichtigt werden, da die Hauptstraßen dekontaminiert wurden, was bei den übrigen Gebieten der Stadt jedoch noch nicht der Fall ist.

Noch heute wird die Infrastruktur Prypjats durch ständige Bauarbeiten erhalten, um Verkehrswege und Strom im Falle eines weiteren Unfalls in Reaktor 4 (z. B. das Einstürzen des Sarkophags) bereitstellen zu können. Dafür werden rund 4000 Arbeiter beschäftigt, die zumeist in Zwei-Wochen-Schichten arbeiten, um Gesundheitsschäden durch gefährliche Strahlung vorzubeugen. Vor dem Hintergrund des sich verstärkenden Tourismus stellt sich die Frage, wie weiter mit der Stadt umgegangen werden soll. Denn einerseits wird die Region aufgrund der Kontaminierung mit radioaktivem Material auf unbestimmte Zeit unbewohnbar bleiben - andererseits ist der Ort zum Sinnbild der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden und stellt damit ein Mahnmal dar, was vor allem für die Denkmalpflege interessante Diskussionen bedeutet. Es gibt Stimmen für die Aufnahme der Stadt in die Welterbeliste der UNESCO.

Zalissya

1986 wurde das Dorf aufgrund der Katastrophe von Tschernobyl aufgegeben. Vor der Katastrophe hatte es eine Bevölkerung etwa 2.849 Menschen. Die Fläche des Dorfes betrug 6,14km².

Radar Duga-1

Kein Bauwerk in und um die Sperrzone von Tschernobyl ist so markant wie die Anlage der Empfangsantenne des DUGA-Radarsystems. Es besteht aus zwei Einzelanlagen, dutzenden Großantennen und befindet sich in der unmittelbaren Nähe des ehemaligen Kernkraftwerks Tschernobyl. Die größere Antenne ist etwa 450 Meter lang und rund 150 Meter hoch, die kleinere Antenne rund 250 Meter breit und etwa 80 Meter hoch. Eine schmale, kilometerlange Betonplattenstraße führt durch einen dichten Nadelwald direkt zu einem verlassenen Militärgelände. Niemand kannte bis zum Untergang der Sowjetunion die genaue Funktion dieses Konstrukts aus dem Kalten Krieg. Bis zum Fall des föderativen Einparteienstaates wurde hier ein sowjetisches Überhorizontradar (OTH, Over The Horizon) vermutet, was sich später auch bestätigte. Die verwendeten Frequenzen liegen meist im Kurzwellenbereich und damit weit unterhalb der üblichen Radarfrequenzen (Mikrowellenbereich), dadurch sinken die Auflösung und die Ortungsgenauigkeit.

Bei der imposanten Empfangsantenne handelt es sich um eine Anlage vom Typ DUGA, die Teil des sowjetischen Raketenabwehrsystems des Verteidigungsministeriums der UdSSR waren. Mit diesen Antennen sollte ein möglicher Start von Raketen im europäischen und amerikanischen Raum frühzeitig erkannt werden. Aufgrund der hohen Sendeleistung der DUGA-Anlagen und aus der Pulsfrequenz von 10 Hz lässt sich eine Entdeckungsreichweite von weit über 10.000 Kilometern ableiten. Die DUGAs wurden vor allem als "Woodpecker" (deutsch: Specht) bezeichnet, weil das Kurzwellensignal sich wie ein scharfes Klopfen anhörte, das sich in der Regel mit einer Frequenz von 10 Hz wiederholte. Die zufälligen Frequenzwechsel störten den öffentlichen Rundfunk sowie Funkamateure und waren zwischen Juli 1976 und Dezember 1989 weltweit auf Radiofrequenzen zu hören.

Um den potenziellen Feind zu irritieren, wurde das DUGA nahe des Kraftwerks von den Sowjets als "Tschernobyl 2" bezeichnet. Die Anlage (wie beide anderen DUGAs auch) unterlag strengster militärischer Geheimhaltung. Bei der NATO wurden die Anlagen unter dem englischen Begriff "Steel Yard" geführt. Die Bevölkerung und Funker verwendeten die Bezeichnung "Russian Woodpecker", wegen des spechtähnlichen Klopfgeräusches im Radioempfang. In der ehemaligen Sowjetunion gab es drei Standorte mit DUGA-Anlagen, neben dem DUGA nahe des Reaktors standen zwei DUGAs nahe Mykolajiw und Komsomolsk in der südlichen Ukraine. Produziert wurde der hoch legierte und mit einer Zinkschicht überzogene Stahl für die Anlage in Weißrussland. Im Zuge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 musste das DUGA aufgegeben werden. Erst dann gelangten technische Details und Fotos an die Öffentlichkeit. Bis dahin rankten sich zahlreiche Mythen und Theorien um den Zweck. Unter anderem vermutete man den Zweck der Beeinflussung des menschlichen Bewusstseins der sowjetischen Bevölkerung, aber auch die Funktion der Anlage als Geowaffe für die Wetterbeeinflussung. Auch der Mythos, die Nuklearkatastrophe wäre durch das DUGA ausgelöst worden, hielt sich hartnäckig. Der Vorwurf der Funker, die Anlage sollte den westlichen Rundfunk stören, wurde widerlegt, als auch Radio Moskau von Störungen betroffen war.

Die Wahl des Standortes der Anlage nahe Tschernobyl war bewusst gewählt worden. Denn neben der strengen Bewachung gab es reichlich Strom direkt von der Quelle - ohne Unterbrechung versteht sich. Die anderen Anlagen waren nach dem Kalten Krieg größtenteils entfernt worden. Das DUGA geriet aufgrund der Nuklearkatastrophe in die 30-Kilometer-Sperrzone. Viele Jahre war die Strahlenbelastung hier extrem hoch. Heute hat sich diese normalisiert und legt etwa auf dem Niveau der natürlichen Umgebungsstrahlung.